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Institut für Erziehungswissenschaft Längsschnittstudie Zentralabitur

Fragestellungen und Hypothesen der Studie

Die Fragestellungen der Studie beziehen sich jeweils auf unterschiedliche Inhalte, auf den Vergleich der beiden Prüfsysteme "dezentrales Abitur" vs. "zentrales Abitur" sowie auf den Jahresvergleich innerhalb des jeweiligen Prüfsystems. Nachfolgend sind die drei Hauptfragestellungen dargestellt, die sich im Detail in eine große Anzahl an Subfragestellungen ausdifferenzieren.

a) Themenbereich "Implementationsprozesse"
In diesem Fragenkomplex geht es um die Analyse des Implementierungsprozesses von zentralen Abiturprüfungen aus Sicht der verschiedenen Akteursgruppen (Schulleitungen, Lehrkräfte und Schüler/innen).

Hauptfragestellungen

  • Welche Bedeutung messen die Akteure den neuen Prüfungsbestimmungen bei?
  • Inwieweit integrieren sie diese in eigene Handlungsschemata und Entscheidungsprozesse, blenden sie aus oder unterlaufen sie?
  • Wie erfolgt die Rekontextualisierung der neuen gesetzlichen Vorgaben an den Schulen und in den einzelnen Fachkollegien?

In Anlehnung an die von Fend (2006) beschriebenen Rekontextualisierungsprozesse steht hier die Hypothese im Zentrum, dass administrative Reformen, die top-down im Bildungswesen eingeführt werden, je nach Schulkultur, professionellen Orientierungen und individuellen Handlungsabsichten aufgenommen, abgewehrt oder umgeformt werden. Zwischen den Schulen und Fachkollegien innerhalb der Schulen sind somit systematische Unterschiede zu erwarten.

b) Themenbereich "Auswirkungen auf Schul- und Unterrichtsprozesse und auf Individuen (Lehrpersonen, Schüler/innen)"
In diesem Fragenbereich geht es um die Analyse der Effekte der Einführung von zentralen Abiturprüfungen auf die Schul- und Unterrichtsgestaltung und auf individuelle Handlungsstrategien oder Motivationen der Schüler/innen und Lehrpersonen.

Hauptfragestellungen

  • Inwiefern lässt sich im Verlauf der Einführung von zentralen Abiturprüfungen eine intendierte oder nicht intendierte Veränderung der Schul- und Unterrichtspraxis, erfasst über die individuellen Wahrnehmungen von Schüler/innen und Lehrpersonen, feststellen? Durch welche individuellen und strukturellen Merkmale können diese Veränderungen erklärt werden?
  • In welchem Ausmaß lassen sich diesbezüglich differenzielle Lehr-Lernmilieus identifizieren und inwiefern stehen diese mit Merkmalen der Einführung von zentralen Abiturprüfungen in einem systematischen Zusammenhang?
  • Welche spezifischen Handlungsstrategien und Motivationen sind bei Schüler/innen (z.B. Abiturvorbereitungen im und außerhalb des Unterrichts, Attributionsmuster für Abiturerfolg vor und nach dem Abitur, Bearbeitungsstrategien bei der Bearbeitung der Abituraufgaben) und Lehrpersonen (z.B. Kooperationsverhalten) zu beobachten, um den Anforderungen an das erfolgreiche Bestehen von zentralen Abiturprüfungen gerecht werden zu können?

Zu erwarten ist, dass sich die Schulen und ihre Akteure bedeutsam unterscheiden werden, wie sie auf die externen Anforderungen von zentralen Abiturprüfungen reagieren. Tendenziell sind positive Effekte auf die Schul- und Unterrichtsgestaltung wie auch auf das tiefenverarbeitende Lernen der Schüler/innen erwartbar, wenn sich für die Betroffenen eine erkennbare Systematik in der Struktur und im Inhalt der zentralen Prüfungsaufgaben und deren Benotung herausstellt, die extern formulierten Prüfungsaufgaben im Anspruchsniveau wie auch in der inhaltlichen Gestaltung variieren und komplexe Aufgabenstrukturen beinhalten (Baumert & Watermann, 2000; Maag Merki & Holmeier, 2006b). Negative Effekte wie problematische Einschränkung der inhaltlichen Breite der bearbeiteten Unterrichtsinhalte oder Unterrichtsfächer auf solche, die zentral geprüft werden oder "Paukenlernen" sind dann erwartbar, wenn der Druck auf die Lehrpersonen und Schulen steigt und sich Gefühle der Unsicherheiten gegenüber den Anforderungen sowie der Willkür einstellen.

c) Themenbereich "Bewertungspraxis und Standardsicherung in den Schulen"
In diesem Fragenkomplex steht die systematische Analyse der Abiturnoten, der Noten der gymnasialen Oberstufe sowie des Zusammenhanges zwischen Abiturnoten und Ergebnissen in den Leistungstests im Zentrum.

Hauptfragestellungen

  • Inwiefern verändert sich die Streuung in den Abiturnoten (insgesamt und in den einzelnen Prüfungsfächern) und in den Noten der gymnasialen Oberstufe innerhalb und zwischen den Schulen?
  • Inwiefern zeigen sich diesbezüglich unterschiedliche Entwicklungen im Jahresvergleich bei den Abiturnoten und bei den Noten der gymnasialen Oberstufe?
  • Inwiefern verändert sich der Zusammenhang zwischen den über standardisierte Leistungstests erfassten Kompetenzen der Schüler/innen und den im Abitur beurteilten Kompetenzen?

Aufgrund der bisherigen Befundlage (Baumert & Watermann 2000; Ministerium für Bildung, Jugend und Sport im Land Brandenburg 2008) sind neben generellen Effekten insbesondere differenzielle Effekte in Abhängigkeit der untersuchten Fächer, der untersuchten Anforderungshorizonte (Leistungs- und Grundkurse) und der Leistungsniveaus der Schüler/innen erwartbar. Es ist davon auszugehen, dass durch die Implementation einer extern definierten Prüfungspraxis der Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der standardisierten Tests und den Abiturnoten aufgrund einer stärkeren Vereinheitlichung von Standards und einer Zunahme der diagnostischen Kompetenz der Lehrpersonen in der gymnasialen Oberstufe tendenziell steigt.