Navigation auf uzh.ch

Suche

Institut für Erziehungswissenschaft

Positionierungen und Handlungsspielräume. Unbegleitete minderjährige Geflüchtete in institutionellen Betreuungsverhältnissen

Unter unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten (im Folgenden mineur non accompagné: MNA) werden junge Geflüchtete verstanden, die sich ohne Sorgeberechtigte:n  in der Schweiz aufhalten und einen Asylantrag gestellt haben. Nach einer Registrierung in der Schweiz, sind die Jugendlichen zunächst in sog. Bundesasylzentren untergebracht, in welchen sie das Asylverfahren durchlaufen. Je nach Kanton bestehen im Anschluss an die Bundesasylzentren unterschiedliche Unterbringungs- und Betreuungssettings für jene, die als «unbegleitete minderjährige Flüchtlinge» angesehen werden: MNA Institutionen, Pflegefamilien, Institutionen mit unterschiedlichen weiteren Bewohner:innengruppen (so u.a. mit anderen Jugendlichen ohne Fluchtgeschichte oder mit erwachsenen Geflüchteten).
Was passiert nun in institutionellen Unterbringungen für MNA? Brinks und Dittman halten für die professionelle Betreuungsarbeit fest, dass obgleich Flucht*migration für die Kinder- und Jugendhilfe kein ganz neues Thema seit 2015 darstelle, es «noch immer keine fachlichen Routinen in der konzeptionellen Bearbeitung» gäbe (2018: 140). Im Zusammenhang meiner Dissertation interessiere ich mich für die Betreuungsverhältnisse in institutionellen Unterbringungssettings, als einer Form der öffentlichen Erziehung unter speziellen Voraussetzungen. Zu diesen Voraussetzungen gehört u.a.: dass i.d.R. weder die Jugendlichen noch die Betreuungspersonen in eigener Verantwortung über den Beginn und das Ende der Betreuung als Massnahme entscheiden können; dass die Jugendlichen aufgrund von Flucht*Migration mit verschiedenen (Integrations-)Anforderungen konfrontiert sind; abwesende Eltern mit unterschiedlichen Positionen/Rollen; dass das Asyl- und Ausländerrecht für die Jugendlichen gilt und damit Unsicherheiten und Einschränkungen im Zusammenhang des Aufenthalts verbunden sind. Für den institutionellen Kontext der Betreuung von MNA ist im Gegensatz zu einem Pflegefamiliensetting ein kleinerer Betreuungsschlüssel spezifisch, sowie dass die Betreuungspersonen am Wohnort der Jugendlichen arbeiten und diesen Ort auch immer wieder verlassen.
Meine Hauptfragestellung lautet: Wie werden Betreuungsverhältnisse zwischen MNA und Betreuungspersonen in Institutionen von diesen Akteur:innen gedeutet und ausgestaltet? Zunächst arbeite ich an Frage der Positionierung der MNA als Adressat:innen der Betreuungsarbeit durch die Betreuenden sowie vice versa. Um im nächsten Schritt zu untersuchen, inwiefern die Handlungsweisen der MNA durch jene Positionierungen eröffnet oder eingeschränkt werden, welchen Umgang sie wählen und mit welchen subjektiven Deutungen sie Fremdpositionierungen bspw. als Kind, Erwachsener oder Flüchtling begegnen.
Um diesen Fragen nachzugehen, bearbeite ich einen Datenkorpus, welcher im Zuge des SNF- Projekts «Unterbringung und Betreuung unbegleiteter Geflüchteter im Spannungsfeld verschiedener Vorstellungen von Fürsorge und Zwang» (2018-2022) aufgebaut wurde. Neben ethnographischen Feldprotokollen, stehen Interviews mit Jugendlichen, Betreuungspersonen sowie weiteren involvierten Akteur:innen zur Verfügung. Eine Auswertung erfolgt mit Verfahren der Situationsanalyse (Clarke 2012). Meine Dissertation soll Analysen zu Betreuungsverhältnissen in Schweizer Institutionen für MNA geben und diese in Hinblick auf Handlungsspielräume von unbegleiteten Geflüchteten während des Ankommens kritisch in den Blick nehmen. Die Arbeiten sollen anschlussfähig an Debatten über professionelle Betreuungsarbeit sowie soziale Alltagspraktiken von jungen Menschen mit Fluchtgeschichte sein.

Nachweise:
Brinks, Sabrina; Dittman, Eva (2018): Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Herausforderung und Chance der Kinder- und Jugendhilfe. In: Johanna Bröse, Stefan Faas und Barbara Stauber (Hg.): Flucht. Herausforderungen für soziale Arbeit. [1. Auflage]. Wiesbaden: Springer VS, S. 139–156.
Clarke, Adele E./ Juliane Sarnes/ Reiner Keller (2012): Situationsanalyse. Grounded Theory nach dem Postmodern Turn. Wiesbaden: Springer VS.

 

Weiterführende Informationen

Personen